Die Würde des Menschen ist unantastbar. Zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte

Liebe Genossinnen und Genossen, in den Sondierungsgesprächen mit SPD und Bündnis90/Die Grünen haben wir zu Beginn über die Aufarbeitung der DDR-Geschichte gesprochen und eine gemeinsame Erklärung verabschiedet. Sie trägt den Titel "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte". Ausgangspunkt und Grundlage für die Erklärung bildete eine gleichnamige Erklärung aus dem Jahr 2009, die von unserer damaligen Verhandlungsdelegation mit erarbeitet wurde.

In der Erklärung von 2009 wurde die DDR in einem "Bekenntnis" pauschal als Unrechtsstaat bezeichnet. Aus heutiger Sicht wurde damals zu wenig gesehen, dass mit dieser Pauschalierung auch die Biografien derjenigen Menschen in ein negatives Licht gerückt wurden, die trotz der politischen Fehler der DDR an der Idee einer menschenwürdigen, einer sozialistischen Gesellschaft festhielten und in diesem Sinne gearbeitet und gelebt haben. Deshalb wollten und haben wir in den gegenwärtigen Sondierungsgesprächen gemeinsam mit der SPD und Bündnis90/Die Grünen das Papier von 2009 weiterentwickelt. Ziel war eine differenziertere Benennung des in der DDR geschehenen Unrechts.

Statt die DDR und mit ihr die Lebenswege von Millionen Menschen in Bausch und Bogen zu verdammen, benennt die aktuelle Erklärung das, was die Unrechtserfahrungen im Staat DDR ausgemacht haben: keine freien Wahlen und politische Willkür der Machthabenden. Allein in Bezug auf solche Erfahrungen haben wir der Bezeichnung der DDR als Unrechtsstaat zugestimmt. Ausdrücklich nicht gemeint sind damit die Biografien der ehemaligen DDR-Bürger. 

Hätten wir nicht ganz auf den Begriff des Unrechtsstaats in der Erklärung verzichten können? Wenn es allein nach uns, der Verhandlungsdelegation der LINKEN gegangen wäre, hätten wir auf den Begriff verzichtet, gerade weil der Begriff in der Vergangenheit häufig dazu genutzt wurde, die DDR und mit ihr ihre Bürgerinnen und Bürger als Ganzes zu diskreditieren. Wir haben aber auch verstanden, dass für die Mitglieder von SPD und Bündnis90/Die Grünen der Begriff Unrechtsstaat für den Bruch mit dem politischen System der DDR steht und ihre Verhandlungsdelegationen deshalb an dem Begriff festhalten wollten.

Mit der nun vorliegenden Formulierung haben wir gemeinsam einen Kompromiss gefunden, die Kritik an den politischen Fehlern der DDR deutlich zu machen ohne die Lebensleistungen derjenigen Menschen herabzuwürdigen, die sich für das Ziel einer menschenwürdigen, sozialistischen Gesellschaft eingesetzt haben.

Die gemeinsame Erklärung zu DDR-Geschichte ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer gemeinsamen Regierung von LINKEN, SPD und Bündnis90/Die Grünen. Sie bildet die Basis für eine gemeinsame Erinnerungskultur, ohne die ein rot-rot-grünes Reformbündnis, wie wir es wollen, nicht zustande käme. Eine gemeinsame Regierung geführt von einem Ministerpräsidenten der LINKEN muss eine Regierung für alle Thüringerinnen und Thüringer sein, sowohl für jene, die positive Erinnerungen mit der DDR verbinden als auch für jene, die in der DDR Unrecht erfahren haben. In dieser Absicht haben wir gemeinsam mit SPD und Bündnis90/Die Grünen die Erklärung zur DDR-Geschichte erarbeitet.

Wir haben mit dem Landesvorstand am 24.9.2014 über die Ergebnisse der ersten Sondierungsgespräche und die Erklärung zur DDR-Geschichte gesprochen. Der Landesvorstand hat einstimmig dafür votiert, dass wir die Sondierungsgespräche fortführen.

Liebe Genossinnen und Genossen, wir bitten Euch darum, dies bei Eurer Bewertung der Erklärung zu würdigen und uns weiterhin in den Verhandlungen mit SPD und Bündnis90/Die Grünen für einen Politikwechsel in Thüringen zu unterstützen,

eure Susanne Hennig-Wellsow, euer Bodo Ramelow,
eure Birgit Keller, euer Steffen Dittes