Bodo Ramelow: Warum Joachim Gauck nicht der Bundespräsident meines Herzens sein kann

Fraktion DIE LINKE. im Thüringer Landtag
KV-ABG

Bodo Ramelow, der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag, erklärt zur Nominierung von Joachim Gauck zum Kandidaten von CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen zur Wahl des Bundespräsidenten:

Nein, Joachim Gauck kann nicht der Bundespräsident meines Herzens sein. Ich habe an jedem Tag der Woche einen anderen Grund, ihm mein Vertrauen nicht zu geben – und keiner davon hat mit seiner früheren Tätigkeit als Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde zu tun. Gauck ist jemand, der erstens Tilo Sarrazin als „mutig“ lobt, der zweitens die deutsche Kriegsbeteiligung in Afghanistan für „gerechtfertigt“ hält, der drittens Hartz IV als „richtig“ bezeichnet und damit Kinderarmut ignoriert, der viertens die Occupy-Bewegung, die gegen die Macht der Finanzmärkte kämpft, als „unsäglich albern“ abqualifiziert, der fünftens Wikileaks das Recht abspricht, Geheimdokumente zu veröffentlichen, aber die anlasslose Speicherung aller Telekommunikations-Verbindungsdaten („Vorratsdatenspeicherung“) beschönigt, der sechstens die Bespitzelung meiner Partei durch den Inlandsgeheimdienst Verfassungsschutz legitimiert und der schließlich siebtens einen Staatsakt für die Opfer des Neonazi-Terrors ablehnt.

Herr Gauck ist für mich deshalb keineswegs der unabhängige „Vermittler zwischen Regierten und Regierenden“, als der er sich selbst stilisiert. Es handelt sich bei ihm viel eher um jemanden, der bei wichtigen gesellschaftspolitischen Debatten sehr einseitig Stellung bezieht und der mit jeder dieser Äußerungen die Gesellschaft weiter spaltet.

Die anderen Bundestagsparteien haben mit ihrem unwürdigen Geschacher vom Sonntag außerdem bewiesen, dass sie die Linkspartei, die immerhin bundesweit fünf Millionen Wählerinnen und Wähler politisch repräsentiert und in Thüringen 2009 mehr als ein Viertel der Wählerstimmen errungen hat, ausgrenzen wollen.